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Da gedeiht etwas. Deutschland gegen Dänemark. EM-Tagebuch (5)

Brentford Gunnersbury Orangery 1024
Das Foto zeigt die Orangerie am See im Gunnersbury Park auf dem Gunnersbury Estate in Brentford, das Community Stadium ist ganz in der Nähe. © Leklek73 | Dreamstime.com

Deutschland gewinnt mit 4:0 gegen Dänemark und holt sich neben dem ersten Platz in der Gruppe B sehr viel Begeisterung ab für eine Leistung, die in der Form wohl die meisten überrascht haben dürfte. Egal, wie es am Ende ausgeht: Da ist von der Öffentlichkeit größtenteils unbemerkt richtig was zusammengewachsen.

Deutschland 4 : 0 Dänemark

Was für ein Spiel war das denn gestern bitte? Deutschland hat auch in der Höhe völlig verdient mit 4:0 gegen Dänemark gewonnen und einige Menschen sehr überrascht. Also mich haben sie jedenfalls überrascht, ich war wie viele andere doch recht skeptisch, wie gut nach dem schwierigen letzten Jahr alles so zusammengehen würde und habe das auch oft genug geäußert.

 

Respekt an Martina Voss-Tecklenburg und ihr Trainer*innen-Team: Egal, wie weit es am Ende des Turniers tatsächlich geht, ich denke, man sieht schon jetzt, dass die vorher diskutierten Entscheidungen aus der Vorbereitung (z.B. ein längeres Trainingslager mit nur einem Testspiel zu machen) genau richtig waren, die Spielerinnen sind auf den Punkt da. Es hat mit Sicherheit auch nicht geschadet, dass dafür das moderne neue DFB-Gelände in Herzogenaurach zur Verfügung stand.

 

Und wie man aus den Interviews in der Vorbereitung und auch gestern im Kommentar von Claudia Neumann noch einmal hören konnte, ist auch zwischen den Spielerinnen selbst nach der 3:2-Niederlage gegen Serbien in der WM-Quali im April einiges passiert. Deutschland war gestern physisch überlegen, aber das wäre ohne den Teamgeist, immer für die anderen Mitrennen und Mitgrätschen zu wollen, nur die Hälfte wert gewesen.

 

Da wächst also unter Top-Bedingungen (dass man das mal sagen darf) richtig was zusammen, ein bisschen wie in einer Orangerie. (Ok Leute, ich weiß, es ist etwas weit hergeholt, aber ich wollte nicht immer nur die typischen Sportbilder zeigen, zumal der Gunnersbury Park quasi einmal über die Hauptstraße vom Brentford Community Stadium liegt.)

Formation ausgenutzt

Wie das ganze gegen andere (und in der Gruppe ja auch sehr unterschiedliche) Gegnerinnen aussehen wird, muss man natürlich erst sehen, aber bleiben wir mal bei gestern. Unten im Bild seht ihr die Grundformationen. Deutschland im bekannten 4-3-3, Dänemark im ebenso bekannten 3-4-3.

GER DEN Grundformationen1
Deutschland (4-3-3): Frohms (1), Rauch (17) – Hegering (5) – Hendrich (3) – Gwinn (15), Magull (20) – Däbritz (13) – Oberdorf (6), Bühl (19) – Schüller (7) – Huth (9). Dänemark (3-4-3): Christensen (1), Sevecke (4) – St. Pedersen (3) – Veje (11), Thomsen (19) – Troelsgaard (7) – So. Pedersen (13) – Svava (23), Madsen (17) – Bruun (20) – Harder (10).

Man kann daran schon sehr gut erkennen, welche Räume sich allein durch diese beiden Formationen für Deutschland ergeben haben: Die beiden offensiven Außenspielerinnen Klara Bühl und Svenja Huth waren im Rücken der dänischen Außenspielerinnen Svava und Thomsen unterwegs. Außerdem ließen sich die äußeren Innenverteidigerinnen oft etwas früh aus der Kette ziehen, das fiel mir vor allem bei Veje auf Huths Seite auf.

 

Dadurch ergaben sich dann in der Mitte automatisch Überzahlsituationen für Deutschland, weil Magull, Däbritz und in manchen Szenen sogar Oberdorf mit nach vorn rückten. Selbst wenn dann eine Flanke nicht direkt verwertet werden konnte, war das für das hohe Gegenpressing praktisch, weil in den zentralen Räumen vor der dänischen Abwehr sofort wieder Druck aufgebaut werden konnte.

 

Und auch im Mittelfeldzentrum rund um den Mittelkreis waren die Däninnen oft zahlenmäßig unterlegen, weil die beiden Außenverteidigerinnen Gwinn und Rauch je nach Bedarf den Halbraum auf ihrer Seite verdichteten. Dänemark hätte seinerseits öfters ausnutzen können, wie weit offensiv die beiden teilweise involviert waren. Das gelang über die Seite von Rauch noch am ehesten. Meistens waren dann aber Hegering oder Oberdorf zur Stelle.

GER DEN Bild
Ein Beispiel aus der 5. Spielminute. Marina Hegering (5) wird von Bruun (20) angelaufen (dargestellt mit durchgezogenem Pfeil). Die Dänin ist aber zu spät, Hegering spielt den Pass in den freien Raum hinter Svava (23) in den Lauf von Huth (9). Veje rückt sofort raus, um sie zu stellen, aber Huth setzt sich im Eins-gegen-Eins durch und bringt die Flanke, diese wird dann verteidigt.

Entenhausen steht Kopf

Ich hatte es gestern in meinem Spielbericht für OneFootball schon beschrieben und auch heute in den Morgen-News noch einmal aufgegriffen, was für ein rührender Moment das Tor von Alexandra Popp zum 4:0 war.

 

Über 100 Länderspiele, aber wegen Verletzungen das erste Mal bei einer EM und dann nur ganz knapp, weil auf das Fitwerden am Ende der Saison noch eine COVID-19-Infektion folgte. Völlig klar, dass sie selbst schon bei ihrer Einwechslung so emotional war und sich dann alle so für sie gefreut haben.

 

Eine sehr schöne und kultige Auszeichnung gab es schon vor dem Spiel, Popp ist nämlich eine Figur im neuen Mickey Mouse Heft.

Dänemark irritiert - oder doch nicht?

Irritiert hat mich Dänemark. Das wurde gestern auch schon in der Rasenfunk-Schlusskonferenz besprochen, Gäst*innen waren Antonia Engelhardt und Philipp Eitzinger. Allerspätestens mit Wiederanpfiff der zweiten Halbzeit war aus dänischer Sicht eigentlich völlig klar, dass es ohne Formationswechsel und mehr lange Bälle gegen das deutsche Pressing nicht weitergehen würde.

 

Trainer Lars Søndergaard wechselte aber positionsgetreu und auch sonst änderte sich nicht so richtig etwas am dänischen Spiel, jedenfalls habe auch ich es nicht so wahrgenommen. Vielleicht waren wir alle kollektiv aber auch zu sehr auf Deutschland fokussiert, weil es für mich heute direkt weitergeht, habe ich nicht die Zeit, noch einmal genauer reinzuschauen.

 

Denn in Søndergaards Statements nach dem Spiel klingt das alles ein bisschen anders: “Wir hatten nicht den Mut, mitzuspielen. Wir haben immer wieder die gleichen Dinge gemacht, zum Beispiel lange Pässe gespielt, und sie haben einfach alle Zweikämpfe gewonnen. Wir wollten höher stehen, aber wir waren nicht in der Lage, das zu tun.” (Quelle: Sture Sando für den UEFA-Feed zum Spiel.)

Zahl des Tages

Wie stark Deutschlands Pressing war, zeigt sich an Dänemarks Pass-Statistik. Laut Wyscout gab es insgesamt 255 Passversuche, davon kamen nur rund 66 Prozent bei einer Mitspielerin an, macht also 170 erfolgreiche Pässe. Das ist ein schwacher Wert, vor allem gemessen daran, dass Dänemark technisch starke Spielerinnen hat.

 

Zum Vergleich: Sie bewegen sich sonst gegen stärkere Gegnerinnen in der Region von über 400 Versuchen mit einer Erfolgsrate zwischen 80 und 86 Prozent.

Erfolgreiche Pässe (Dänemark)
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Zitat des Tages

We didn’t really feel the pressure externally. It was more that we put ourselves under pressure because we know what kind of quality we have.

 

We know what kind of players we have, then it’s just showing this because in the past, we also had those games where we didn’t really get it on the pitch and everybody was like, ‘Nah, Germany, they’re not going to do anything this tournament’.

 

Then we won 7-0 against Switzerland. Everybody was like, ‘They’re going to win!’ Now it’s just going game to game and then we will see how we are going to improve from game to game.

 

Lena Oberdorf, nach dem Spiel in der Mixed Zone zu Ameé Ruszkai, Korrespondentin für goal.com.

Empfehlungen des Tages

  • Jule von Lottes Erbinnen macht zur EM eine Podcast-Morning-Show, ich finde das eine sehr schöne Idee und habe das jetzt schon fest in mein Kaffeepausen-Ritual eingebaut.
  • Eigentlich stehen mir wegen des Wortspiels im Episoden-Titel schon wieder die Haare zu Berge… Aber jedenfalls: Es gab gestern auch noch das Spiel zwischen Spanien und Finnland. Mit dem schnellsten Tor der EM seit Einführung der Gruppenphase und auch dazu gibt es eine Rasenfunkfolge.
  • Gestern lief im ZDF nach dem Spiel noch eine wirklich gut gemachte Dokumentation über 40 Jahre Nationalteam im DFB. Der Titel (“Fußball.Frauen.Power!”) ist relativ fürchterlich, aber davon ab gibt’s sehr viele starke Interviews mit ehemaligen Spielerinnen. Ich bin ja großer Fan von Bärbel Wohlleben.

Fotocredit: Orangerie am See im Gunnersbury Park auf dem Gunnersbury Estate, Brentford, West London UK © Leklek73 | Dreamstime.com