Deutschland gewinnt durch eine hervorragende Abwehrleistung und Coolness vor dem Tor mit 2:0 gegen Spanien. Auch Finnland stellte Stoppschilder rund um den eigenen Strafraum, verlor aber mit 0:1 gegen Dänemark. Martina Voss-Tecklenburg und ihr Team stehen damit jetzt schon fest als Gruppenerste im Viertelfinale.
Deutschland 2 : 0 Spanien
Es war die – im Vergleich zum Auftakt gegen Dänemark – wie erwartet sehr andere Partie, der Verlauf spielte den Deutschen in die Karten. Schon in der 3. Minute traf Klara Bühl zum 1:0, Deutschland hatte rund um den spanischen Sechzehner hoch zugestellt und Paños spielte einen Fehlpass genau in Bühls Füße, die das ganze dann sehr abgezockt zur Führung ausnutzte.
Vor allem in der Anfangsphase machte Deutschland wieder sehr viel Druck, die Pressingmuster waren an den Gegner angepasst worden. Wie erwartet kam dabei viel weniger eigener Ballbesitz herum als noch gegen Dänemark. Je länger das Spiel andauerte, desto tiefer drängten die Spanierinnen Deutschland in die eigene Hälfte, das änderte sich erst wieder in der Schlussphase des Spiels.
Aber fangen wir für die Übersicht zunächst mal mit den Grundformationen an. Bei Spanien muss man hier betonen, dass das die Aufstellung auf dem Papier ist, da ist im Mittelfeld so viel Bewegung drin, dass es schwierig ist, das in so ein Schema zu pressen. Besonders Caldentey pendelt viel zwischen dem linken Flügel und dem Zentrum. Ouahabi und Batlle positionieren sich sehr offensiv.
Ein Beispiel dafür sieht man im zweiten Bild aus der vierten Spielminute, da stand es bereits 1:0, Deutschland ging aber noch ziemlich früh auf die Gegnerinnen drauf. Lina Magull stört Aleixandri, Sara Däbritz versucht die Passempfängerin Guijarro so zu stören, dass sie nicht weiter nach vorn (am ehesten auf Caldentey (8)) spielen kann. Guijarro spielt deshalb zurück zu Paredes.
Verschoben, nicht verhoben
Wie man erahnen kann, ergibt sich daraus für Deutschland gleich das nächste, potenzielle Problem, denn von Bonmatí zu Batlle ist die rechte Hälfte des Spielfeldes einigermaßen offen. Deutschland war aber sehr gut im Verschieben, sodass der direkte Passweg für die Spanierinnen versperrt war, sie mussten dann einen Umweg nehmen oder aber versuchen über ein Dribbling aufzudrehen.
Diese Szene geht damit weiter, dass Paredes zu Batlle spielt, Bonmatí schleicht sich im Rücken von Bühl so weg, dass sie angespielt werden kann, sie dreht sich mit Ball und rennt dann los durchs Mittelfeld, sie kann den Ball noch per Kurzpass an Lucía García abgeben. Sie wird dann aber so von Felicitas Rauch gepresst, dass sie wieder ein Stück zurückspielen muss. In ihrem Rücken wäre Sheila García komplett frei gewesen.
Generell ließ sich sehr gut beobachten, dass beide genau wussten, wie die andere Seite am liebsten spielen möchte und sich dann genau darauf einstellte. Deutschland nutzte in der eben beschrieben Szene aus, dass Spanien eben fast immer kurz spielt.
Umgekehrt war es nach Ballgewinn Deutschland häufig so, dass es eine nahe Anspielstation gegeben hätte, man aber lieber den etwas längeren Pass nahm, auch wenn der nicht immer gelang. Alexandra Popp machte aber auch ohne ihr Tor zum 2:0 ein sehr gutes Spiel, weil sie viele dieser Bälle mit ihrer Kopfballstärke holte und geschickt weiterleitete.
Ich hatte mir vor dem Spiel – wie so viele – wegen der Kontersituationen eher Waßmuth in der Startelf gewünscht, aber nach ein paar Minuten fand ich die Wahl dann sehr klar und auch sehr passend. Naja und dass sie dann tatsächlich in der 37. Minute noch ihr Tor gemacht hat, ist natürlich auch eine richtig geile Geschichte. Zu dem Zeitpunkt war Deutschland schon viel tiefer in die eigene Hälfte reingedrückt worden, hatte sich aber auch noch etwas besser sortiert.
Denn zwischen der 10. und 20. Minute ungefähr sah es mal nicht so gut aus, hier musste Frohms auch nach einem Schnittstellenpass von Patri Guijarro auf Lucía García rausrücken und retten (10.).
Anpassung vs. Sturheit
In Halbzeit zwei ging das mit dem spanischen Ballbesitz dann so weiter, wobei die meisten Situationen nicht richtig gefährlich waren, auch, weil Marina Hegering einfach alles gepflegt wegballerte, was auch nur annähernd in ihre Richtung geflogen kam.
Entlastungen für Deutschland wurden allerdings immer weniger. Besonders die linke Seite wirkte irgendwann nicht mehr so gefestigt, bei Felicitas Rauch häuften sich die Fehlpässe, Spanien hatte sich ihre Seite auch deshalb ausgeguckt und versuchte diese Ballverluste zu forcieren. Martina Voss-Tecklenburg brachte Sophia Kleinherne (62.) und Bühl zog sich noch weiter zurück, Fünferkette.
Gleichzeitig kam auch Tabea Waßmuth für Popp. Auch Jorge Vilda wechselte mehrfach, den größten Unterschied machte da aus meiner Sicht Athenea del Castillo, die ein ganz anderes Profil mit auf den Platz brachte, sie spielt geradliniger und ist für Real Madrid eben eine echte Flügelstürmerin. Spanien hatte dadurch mehr Breite im Spiel, im Gegensatz zu vorher, als sich meist alles in einer Zone geballt hatte.
Da half die Fünferkette dabei, die Defensive nicht auseinanderreißen zu lassen. Merle Frohms hatte in der 71. Minute ihren Heldinnen-Moment mit einer Parade gegen Caldentey, viel mehr zwingendes gab es da aber trotz 12 Schüssen auf spanischer Seite nicht.
Ich denke, Jorge Vilda reagierte zu spät und ich denke außerdem, dass seine Sturheit Spanien in die Situation gebracht hat, von einem Titelfavoriten innerhalb der letzten Wochen immer weiter zusammenzuschrumpfen. Versteht mich nicht falsch, objektiv hat Spanien sehr gut gespielt, das heute hätte genauso gut ein Finale sein können, aber angsteinflößend fand ich sie trotz der vier Tore schon nach dem Finnland-Spiel nicht mehr. Die statistischen Werte sehen alle toll aus, aber sie beschreiben eine Torgefahr, die sich beim Schauen der Spiele zu selten fühlen lässt.
Das lässt sich für mich auch nur bedingt am Fehlen von Putellas festmachen, denn es hätte eben auch andere Optionen bei den Nominierungen und Aufstellungen gegeben. Auch sonst ist Jorge Vilda nicht ohne Kontroverse. In Kurzform kann man das anhand von Om Arvinds Einleitung zur wie immer gelungenen und gut verständlichen Analyse zum Finnland-Spiel nachvollziehen.
Defensiv-Stresstest bestanden
Für Deutschland ist das natürlich das bestmögliche Ergebnis, der Gruppensieg steht fest, man geht Gastgeber England zumindest vorerst aus dem Weg und spielt stattdessen gegen die vermeintlich schwächeren Österreicherinnen oder Norwegerinnen. Bevor es so weit ist, geht es aber noch gegen Finnland und ich denke, das rundet die Gruppenphase – wenn man das auch als eine potenzielle Entwicklung begreifen möchte – sehr gut ab.
Gegen Spanien wurde die Defensive stark geprüft, ich denke, dass Frankreich und England in dieser Hinsicht jetzt gerade noch eine andere Hausnummer sind, als Spanien. Aber trotzdem ist das eine Erfahrung mitten im Turnier, die die anderen in der Form noch nicht machen mussten.
Gegen Finnland wird es hingegen darum gehen, die verschiedenen Offensiv-Möglichkeiten zu zeigen. Klar wird man auch hier mit Pressingdruck arbeiten wollen, aber man hat gegen Dänemark gesehen, dass es schon etwas mehr braucht, als ein paar Flanken, um Finnland so richtig ins Schwitzen zu bringen.
Ich fand Dänemark (auch im Spiel gegen Deutschland) eigentlich gar nicht so schlecht, denn Ideen hatten sie auch gegen Finnland. Aber sie spielen zu langsam, die Pässe (und die Entscheidung, sie zu spielen) sind zu langsam, das ist, woran am meisten arbeiten sollten (neben dem Verteidigen auf dem Flügel, da hätte Svenja Huth im finnischen Trikot wieder ihre Freude gehabt).
Zitat des Tages
“We weren’t precise or forceful enough, not hungry enough in front of goal. That is what was missing because in the end we were dominating the game and they were trying to punish us on the counter. We have to be more determined in front of goal.”
Laia Aleixandri nach dem Spiel. Ich hasse mich selbst ein bisschen dafür, aber: vielleicht ist #hungriGER doch gar kein so verkehrter Hashtag?
Empfehlungen des Tages
- Ich hatte ganz am Anfang schon Jean Williams’ Buch empfohlen, sie veranstaltet am 28.7. auch einen kostenlosen Online-Talk mit dem Titel “A History of Women’s Football”. Anmeldung über Eventbrite.
- Richard Laverty hat für Our Game Mag die Ex-Nationalspielerin Babett Peter interviewt.
- Nach dem Spiel der Niederlande wurde Trainer Mark Parsons dafür gelobt, sich korrigiert zu haben. Jill Roord startete auf dem Flügel, kam dann in der zweiten Hälfte durch die Mitte und das reichte immerhin zu einem Tor. Es war aber zumindest nicht allein seine Entscheidung. In diesem (niederländischen) Artikel heißt es, das sei Miedemas Vorschlag gewesen, Team und Trainer hätten dann gemeinsam zugestimmt.
- Keine Empfehlung, sondern eine kurze Anmerkung. Die Nachricht aus den Niederlanden finde ich vor allem deshalb interessant, weil es so anders ist, als das Bild, das ich von Norwegen, aber auch Spanien habe. Martin Sjögren hat die 0:8 Niederlage gegen England immerhin auf seine Kappe genommen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Spielerinnen glücklich darüber sind, so ins Verderben geschickt worden zu sein.
Fotocredit: Das Titelbild zeigt eine gesperrte Straße. © Lizziemaher | Dreamstime.com