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Gruppe D: Wer folgt Frankreich? EM-Tagebuch (11)

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Islands Sveindís Jane Jónsdóttir beim DFB-Pokalfinale 2022 in Köln mit dem VfL Wolfsburg. © Vitalii Kliuiev | Dreamstime.com

Der zweite Spieltag der Gruppenphase ist durch und etwas mehr als die Hälfte der EM damit auch. Die Französinnen stehen als Gruppenerste im Viertelfinale, zeigen aber eine langsame zweite Halbzeit gegen ein gut verteidigendes Belgien. Italien erkämpft sich gegen Island noch ein 1:1. Im Detail über die Spiele gesprochen habe ich heute Morgen im Rasenfunk, hier gibt’s einen kleinen Blick voraus darauf, wie es weitergehen könnte. Außerdem wollte ich nochmal meine Gedanken zu den Fernsehübertragungen sammeln.

Frankreich ist im Viertelfinale

Das französische Nationalteam von Corinne Diacre ist schon jetzt auf dem ersten Platz der Gruppe D für das Viertelfinale qualifiziert. In den ersten Minuten sah das mit der schnellen Führung durch Diani (6.) nach einem erneut hohen Ergebnis aus, mit dem wohl die meisten gerechnet hatten. Aber Belgien schlug sich tapfer, nachdem der Anfangsschock heruntergeschluckt und das riesige Loch im eigenen Sechserraum dann mal gestopft war.

 

Aber zu viel Platz im Mittelfeld lassen kann Frankreich auch ziemlich gut. Der Ausgleich Belgiens in der 36. Minute kam aus dem Nichts und hielt auch nicht lange an. Griedge Mbock Bathy machte im Anschluss an eine Ecke ein sehr schönes, wuchtiges Kopfballtor (41.). Nur gab es eben vor allem in der zweiten Halbzeit immer wieder diese Situationen im Spiel, bei denen ich einerseits wusste, dass Belgien damit nichts anfangen kann, mir aber andererseits dachte, dass andere Teams das sehr wohl können.

 

Davon abgesehen ist noch nicht klar, wie schlimm die Verletzung von Marie-Antoinette Katoto ist, sie musste in der 17. Minute ausgewechselt werden, der Unterschied war spürbar. Ouleymata Sarr machte ihre Sache nicht schlecht, aber sie ist ein ganz anderer Spielerinnentyp als Katoto.

 

Frankreichs mögliche Viertelfinalgegnerinnen aus den Niederlanden und Schweden haben auf dem Papier die Qualität, die angesprochenen freien Räume auszunutzen, spielen aber bisher nicht zielstrebig genug. Da sehe ich Frankreich dann schon vorne. Die Schwedinnen könnten so eine Partie eng machen, in dem sie das Mittelfeld kontrollieren, was ihnen gelingen sollte, nur muss vorne eben mehr Pfeffer rein als bisher.

 

In einem potenziellen Halbfinale könnte dann Deutschland auf Frankreich treffen und von allem, man bisher gesehen hat, denke ich, dass dort dann Schluss wäre für Les Bleus. Auch wenn sie es in den K.O.-Runden dann natürlich ganz anders angehen werden, als in einem Gruppenspiel, das aus ihrer Sicht durch ist.

Aber wer holt sich den zweiten Platz?

Das ist in der Gruppe D wirklich eine spannende Frage, denn theoretisch ist für alle drei übrigen Nationalteams noch alles drin. Island ist gerade mit zwei Punkten auf dem zweiten Platz und hat es am schwierigsten, weil sie noch gegen Frankreich spielen müssen.

 

Wenn man sich aber die schwächeren Momente Frankreichs vor Augen führt und davon ausgeht, dass sie vielleicht auch rotieren und Kräfte sparen wollen… ist es immer noch unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich für Island, etwas zu holen. Ein Remis könnte schon reichen, allerdings müssen dann Belgien und Italien ebenfalls unentschieden spielen.

 

Das wiederum finde ich gar nicht so abwegig, Belgien kann verteidigen, aber nicht so gut Tore schießen und bei Italien ist es andersherum. Wobei ihnen das Toreschießen gerade auch nicht leicht fällt, aber sie kommen zumindest häufiger in den Sechzehner als Belgien. Wenn ich mir von diesen beiden ein Team aussuchen dürfte/ sollte/ müsste, fände ich das gar nicht so einfach.

 

Belgien wächst mir gerade ein bisschen ans Herz. Torhüterin Nicky Evrard hat jetzt schon zwei Elfer gehalten, beide nicht so stark geschossen, aber wen interessiert’s, den Nachschuss von Wendie Renard muss man auch erstmal so konsequent vorbeigucken.

 

Davina Philtjens hat Kultpotenzial, immer wenn ich sie neben der zwei bis drei Köpfe größeren Renard, gesehen habe, musste ich schmunzeln. Elena Dhont hat mir auf der rechten Seite gut gefallen und Tessa Wullaert macht aus wenig sehr viel.

Gibt es nochmal einen Moment für Daniela Sabatino?

Emotional mehr dabei war ich aber beim Spiel von Italien. Ein paar der Startelfwechsel konnte ich verstehen, die Herausnahme von Barbara Bonansea aber nicht. Gut möglich, dass es kräftetechnisch nicht anders ging, aber bei ihrer Einwechslung in Halbzeit zwei hat man dann eben gesehen, was vorher fehlte.

 

Christiana Girellis Einwechslung hat insgesamt auch geholfen, weil sie mit ihren Bewegungen im Zehnerraum das Spiel von Bonansea komplementiert. Gleichzeitig fand ich, dass es schon wieder kein gutes Spiel von ihr war, wenn auch besser als gegen Frankreich. Da waren in der Schlussphase, als das zweite Tor in der Luft lag und Daniela Sabatino sich mehrmals in bester Anspielposition befand, sehr viele falsche Entscheidungen dabei.

 

Überhaupt, Sabatino. Sie ist inzwischen 37, stürmt für den AC Florenz und wurde in der abgelaufenen Saison der Serie A Torschützenkönigin mit 15 Treffern. Das muss man in der Liga bei einem Verein, der nicht Milan oder Juve ist, erstmal schaffen. In ihrer Karriere ist sie laut der italienischen Wikipedia in 490 Ligaspielen aufgelaufen und hat dabei 371 Tore erzielt.

 

Gegen Island wurde sie in den letzten sechs Minuten für ihr 70. Länderspiel eingewechselt, es wäre der perfekte Moment für eine richtig kitschige Heldinnengeschichte gewesen. Aber vielleicht wird es ja was gegen Belgien mit Länderspieltor Nummer 33.

Zu den Übertragungen

Es kommt in den Unterhaltungen und Twitterdiskussion unweigerlich immer wieder auf, deswegen nach nun zwei vollen Spieltagen nochmals ein kurzer Blick durch die Kanäle. Die Spiele, die es nur im Stream gibt, haben das aller magerste Rahmen- und Halbzeitprogramm, nämlich gar keins.

 

Dass die Kommentator*innen da dann mal eine Pause brauchen: Geschenkt. Aber irgendwer anderes dürfte da dann schon mal was zu den vorangegangenen 45 Minuten erzählen, oder wie wäre es mit einem Interview oder wenigstens Highlights?

 

Die Übertragungen im TV haben alle das Problem, dass sich keine Zeit genommen wird, um über das Sportliche zu sprechen. In der Halbzeit gibt’s die Nachrichten und einen Werbeblock, danach folgt eine (manchmal nur mehrere Sekunden lange) Schalte ins Studio und dann ist Wiederanpfiff. Zuletzt gab es mit Babett Peter und Josephine Henning zwei Expertinnen vor Ort im Stadion, sie bekamen aber beide nur sehr wenig Zeit, die meiste davon vor dem Spiel.

 

Dann werden sowohl in der ARD als auch beim ZDF hauptsächlich übergreifende Themen besprochen. Die spielenden Teams werden nur vor dem 21-Uhr-Spiel richtig vorgestellt, bei dem um 18 Uhr ist eine Viertelstunde viel zu kurz. Nach dem Spiel wird alles, das eine längere Analyse werden könnte, geradezu abgewürgt, weil je nach Länge der Nachspielzeit der nächste Programmpunkt naht.

 

Das Wissen, das die Kommentator*innen während der Partien über Teams und Spielerinnen wie Trainer*innen vermitteln, ist unterschiedlich. Bei manchen ist mehr Nähe zum Thema und den Gegebenheiten als bei anderen, da in Deutschland die eigene Bundesliga erst seit einem Jahr komplett übertragen wird, ist das kein Wunder. Gemessen an der Situation in der Berichterstattung seit Jahren kann ich deshalb einiges verzeihen, wünsche mir dann aber, dass verstärkt mit Expert*innen zusammengearbeitet wird.

 

Es wird wie oben erwähnt versucht, aber sie bekommen nicht genug Redezeit. Was ich mir als (für mich von außen einfach aussehende) Lösung vorstellen kann: Lasst die Leute doch einfach mitkommentieren. Das hat bei DAZN mit der Champions League wunderbar funktioniert. Es gibt bestimmt auch ein paar gesprächige Bundesliga-Trainer*innen. Das wird für dieses Turnier vermutlich nichts mehr, aber die WM ist ja schon im nächsten Jahr.

Zitate des Tages

If we can keep a clean sheet against France, we’re a team that can always score. We’re good at set pieces, we have our counter attacks. The team we have now, on a good day, we can beat France.”

 

Bayern Münchens Glódís Perla Viggósdóttir nach dem Spiel gegen Italien in der Mixed Zone zu Goal-Korrespondentin Ameé Ruszkai.

Everyone I featured in my Women’s Euros preview cartoon is doing well. Two Covid cases, an ACL injury and an 8-0 defeat. Someone warn Katoto

 

Der Comiczeichner David Squires am 13. Juli via Twitter, einen Tag bevor sich auch Katoto verletzte (Schwere wie gesagt noch unbekannt). Der Cartoon, um den es geht zeigt außerdem Lea Schüller, Alexia Putellas, Vivianne Miedema und Ada Hegerberg, die hoffentlich von allem Übel verschont bleibt.

Empfehlungen des Tages

  • Ich war wieder zusammen mit Noah Platschko im Rasenfunk und wir haben über die Spiele in der Gruppe D gesprochen.
  • Charlotte French und Tamsin Connor haben heute eine neue Folge ihres Podcasts Two Girls Talk Balls veröffentlicht und schwärmen von Sarina Wiegman.
  • Anna Dreher schreibt für die Süddeutsche Zeitung über das Muttersein im Profifußball.
  • Emma Hayes mit einem Beitrag für den Telegraph über den Einfluss des Menstruationszyklus auf sportliche Leistungsfähigkeit.
  • Frank Hellmann hat für Zeit Online einen Artikel über die fehlende Diversität im deutschen Frauenfußball geschrieben.
  • Für Leute mit Abo von The Athletic gibt’s einen Artikel über die Torhüterinnen dieses Turniers und ihre hohe Qualität.
  • Um gutes Torhüterinnenspiel geht es auch in der heutigen Folge von Lottes EM-Morgen.

Fotocredit: Islands Sveindís Jane Jónsdóttir beim DFB-Pokalfinale 2022 in Köln mit dem VfL Wolfsburg. © Vitalii Kliuiev | Dreamstime.com