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Ab ins Halbfinale! Deutschland gegen Österreich. EM-Tagebuch (18)

Deutschland Oberdorf 1920
Lena Oberdorf, hier für Wolfsburg im Zweikampf mit Małgorzata Mesjasz, beim DFB-Pokalfinale am 28. Mai 2022. © Vitalii Kliuiev | Dreamstime.com

Deutschland spielt 2:0 gegen Österreich und erreicht damit das Halbfinale, da geht es nächsten Mittwoch weiter gegen Frankreich oder die Niederlande. Im einem erwartet engen Viertelfinale macht am Ende ein taktisches Detail den entscheidenden Unterschied.

Deutschland 2 : 0 Österreich

Zwei laufstarke Pressingteams trafen aufeinander und lieferten sich ein leidenschaftliches Duell, das aufgrund von insgesamt fünf Alutreffern auch ganz anders hätte ausgehen können. Richtiger Light Metal Footall eben.

 

Bei Deutschlands Startelf gab es keine Veränderung, für Österreich kam dieses Mal Marina Georgieva für Viktoria Schnaderbeck in die Innenverteidigung neben Carina Wenninger. Ansonsten blieb auch hier alles so wie beim letzten Spiel gegen Norwegen.

GER AUT Grundformationen
Deutschland (4-3-3): Frohms (1), Rauch (17) – Hegering (5) – Hendrich (3) – Gwinn (15), Magull (20) – Däbritz (13) – Oberdorf (6), Bühl (19) – Schüller (7) – Huth (9). Österreich (4-1-4-1): Zinsberger (1), Hanshaw (19) – Georgieva (2) – Wenninger (7) – Wienroither (12), Puntigam (17), Dunst (8) – Feiersinger (10) – Zadrazil (9) – Hickelsberger-Füller (18), Billa (15).

Kurz zusammenfassen ließe sich das Spiel damit, dass Österreich vor allem über Standardsituationen extrem gefährlich wurde und Deutschland durch aggressiven Druckaufbau gegen Torfrau Manuela Zinsberger.

 

Dazwischen gab es sehr viel Zweikampf im Mittelfeld, für Deutschland machte Lena Oberdorf ein so herausragendes Spiel, dass sie von Martina Voss-Tecklenburg nach dem Spiel sogar ein sehr seltenes Sonderlob bekam.

 

Deutschland gehörten die Anfangsminuten, aber dann fightete sich Österreich immer weiter in die Partie und erarbeitete sich dabei auch das Glück, dass der Ball dann eben im Zweikampf genauso prallt, dass er wieder bei einer Mitspielerin landet.

 

Zadrazil und Feiersinger machten ihre Sache da im zentralen Mittelfeld gewohnt gut und suchten dann möglichst schnell den Ball hinter die deutsche Abwehr oder in den Rücken der Außenverteidigerinnen. Auch in dieser Partie war die linke Seite von Felicitas Rauch wieder ein beliebtes Ziel.

 

Die Wolfsburgerin hatte einmal richtig großes Glück, dass ihr Foul abgepfiffen wurde, statt den Vorteil für Österreich laufen zu lassen, worüber man sich dort angemessen aufregte. Österreich wirkte griffiger und sie hatten die besseren Strafraumszenen. Die gab es meistens im Anschluss an eine Ecke, wie zum Beispiel beim Kopfball an den Pfosten von Georgieva in der 13. Minute.

 

Auf deutscher Seite hielt Lena Oberdorf dagegen, wie man es von ihr gewohnt ist, auch mit dem ein oder anderen bewusst resoluten Zweikampf. Das war in dieser Phase des Spiels auch sehr nötig.

 

Wenn ihr irgendwie die Gelegenheit habt, ein Bundesligaspiel mit ihr live im Stadion zu gucken: Macht das mal, habt dabei ein Auge auf sie und darauf, was für riesige Räume sie mit ihren Bewegungen die ganze Zeit abdeckt.

 

Ich finde, das kann man vor Ort nochmal viel besser beobachten und obwohl ich sie hier in Essen vor ihrem Wechsel zu Wolfsburg regelmäßig erleben durfte, bin ich jedes Mal wieder aufs Neue beeindruckt.

Lauern auf die Bälle von Zinsberger

Unter der Woche gab es eine DFB-Pressekonferenz mit Alexandra Popp und Torwarttrainer Michael Fuchs, die schon so ein bisschen erahnen ließ, was es in diesem Spiel zu sehen geben könnte. Fuchs erzählte dabei, dass er neben dem normalen Torhüterinnen-Training vor allem die Keeperinnen der Gegenseite genau anschaut, um den eigenen Stürmerinnen Tipps geben zu können.

 

Über konkrete Schwächen Manuela Zinsbergers wollte er sich dabei auf der PK nicht äußern. Wer sie kennt, weiß allerdings, dass sie zwar durchaus stark mit dem Fuß ist, aber eine spezielle Art hat, den Ball ins Spiel zu schlagen. Genau das versuchte Deutschland konsequent auszunutzen und kam darüber zu beiden Toren. Wer sich das von einer echten Expertin erklären lassen will, sollte unbedingt den Rasenfunk mit Ex-Torhüterin und nun Trainerin Kathrin Längert anhören, sie Empfehlungen.

 

Es gab sogar noch mehr Szenen, in denen das Anlaufen von Popp hätte gefährlich werden können, weil sie entweder ganz knapp an einem Block wie beim 2:0 dran war oder Zinsberger zu einem Fehlpass zwang, den Deutschland dann aber nicht entscheidend verwerten konnte.

 

Popp machte das sehr geschickt, sie wartete immer den Moment ab, in dem sich Zinsberger halb von ihr weggedreht hatte, um den Anlauf zum Schuss zu starten, und erst dann rannte Popp los. Die Stürmerin bestätigte im Interview nach dem Spiel, dass man sich auf genau diese Situationen bestens vorbereitet hatte.

 

Österreich wurde so am eigenen Spielaufbau aus der Defensive gehindert und gleichzeitig schaffte Deutschland es, die normalerweise maximal ungefährlichsten Situationen in Torchancen umzuwandeln. Beim 1:0 in der 25. Minute kam dazu allerdings noch ein tolles spielerisches Element.

 

Der unkontrollierte Ball von Zinsberger nach Popps Pressing landete auf Österreichs rechter Seite ungefähr auf Höhe der Mittellinie auf dem Kopf der extra dafür herausgerückten Marina Hegering. Ihren Kopfball ließ Rauch durch, sodass Klara Bühl ins Eins-gegen-Eins mit Wenninger gehen konnte, die bei dem Duell nicht gut aussah.

Popp weiter in Topform

Bühl kam vorbei bis an die Grundlinie und passte flach in den Rückraum des Strafraums. Popp ließ ihren Ball durch, Lina Magull hatte jede Menge Platz zum Schießen und legte den Ball mit der Innenseite ins Tor. Das 2:0 fiel erst sehr spät in der 90. Minute, dieses Mal kam Popp genau im richtigen Moment mit ihrem linken Fuß so vor Zinsberger, dass der Ball von dort ins Tor prallte.

 

Was sie für ein Turnier spielt, ist wirklich unglaublich, sie ist jetzt die erste Spielerin, die in vier aufeinanderfolgenden Partien einer EM getroffen hat und ist außerdem im Rennen um die Torjägerinnenkanone. Nur Beth Mead hat aktuell einen Treffer mehr.

 

Sie bringt aber auch immer wieder ihre spielerischen Qualitäten ein, indem sie Bälle hält und dann mit viel Übersicht weiterleitet. In der 54. Minute leitete sie so eine der wenigen Kombinationen durchs Zentrum ein, Däbritz und Gwinn versuchten da einen Doppelpass, da hätte es vielleicht nach Foul an Gwinn einen Freistoß geben können, das wurde aus der Kameraperspektive nicht klar.

 

Zu Zinsberger muss an dieser Stelle unbedingt noch festgehalten werden, dass sie trotz dieser Partie ein richtig gutes Turnier gespielt und mit ihren Paraden Österreich mit bis zu diesem Punkt gebracht hat. Das grandiose Spiel gegen Norwegen ist ja erst ein paar Tage her. Da Goalies immer besonders harte Kritik abbekommen, sollte man das nicht vergessen.

Was nimmt man aus dem Spiel mit?

Für mich war die Ausgeglichenheit der Partie und auch der kämpferische Charakter nicht überraschend, ich hatte genau mit so etwas gerechnet, ein bisschen eklig und zäh, aber eben sehr spannend. Klar hätte da spielerisch einiges besser sein können.

 

Eine kuriose Beobachtung war zum Beispiel, dass Österreich sich irgendwann so sicher war, dass durch die Mitte nicht viel zu erwarten sei, dass man sich gar nicht mehr darum bemühte, den eigenen Sechserraum so richtig abzudecken. Stattdessen wurden Flügel und Halbräume zugestellt.

 

Das sorgte für mehrere Szenen, in denen Däbritz in bester Schussposition völlig frei anspielbar gewesen wäre, Huth aber gar nicht rüberschaut und wieder versucht, an die Grundlinie zu kommen. In der zweiten Halbzeit war das etwas besser, auch weil Dallmann ins Spiel kam und sie mit ihren Dribblings, aber auch der Art von Pässen, die sie versucht zu spielen nochmal eine andere Type ist, sie sucht eher die Schnittstellen innen. Jedenfalls muss da mehr Variabilität her.

 

Es macht mir auf jeden Fall nach wie vor sehr viel Freude, dieses Team zu beobachten, ich bin so richtig in diesem Turnier drin, ich schmunzle dann auch mit Klara Bühl über ihre vergebene Chance und freue mich über die besondere Geschichte von Alex Popp.

Dokumentation über Sexismus im Fußball

Ich habe mir gestern nach dem Spiel noch die Panorama-Doku angeschaut, die den Titel: “Fußballerinnen: Sexismus und dumme Sprüche” trägt. Sie wurde recherchiert von Lena Gürtler, Elena Kuch und Hendrik Maaßen. Der Titel klingt etwas verharmlosend, da sind nämlich einige harte Aussagen dabei.

 

Es geht u.a. um einen nicht namentlich genannten ehemaligen Bundesligatrainer der letzten Saison, der sich seinen Spielerinnen gegenüber abwertend verhalten hat und auch sexuell übergriffige Bemerkungen gemacht hat. Verein und Trainer hätten sich inzwischen einvernehmlich getrennt.

 

Es geht auch um einen Teamarzt eines nicht benannten Vereins, zu dem sich Spielerinnen wegen übergriffiger Kommentare nicht getraut haben, mit ihren medizinischen Problemen zu gehen. Der Mannschaftsrat musste einschreiten.

 

Es geht aber auch um den DFB, in der Doku vertreten durch Generalsekretärin Heike Ullrich. Denn der Verband scheint sich nicht in der Verantwortung für die verschiedenen Problematiken zu sehen. Nur dürfe es überhaupt nicht so sein, dass Spielerinnen in solche Situationen gebracht werden, in denen sie sich “erstmal lernen müssen, wegzuhören”, wie Franziska Bielfeld in dem Film sagt.

Immer mehr Anlaufstellen für Fans

Nun ist es ja tatsächlich leider so, dass man schon als nicht cis männlicher Fan so einiges abbekommt und deswegen sogar das eigene Verhalten anpasst. Das fängt schon mit der Kleidung an, die man vielleicht eigentlich gerne tragen würde, aber vielleicht nicht tragen kann, weil man schon vorher weiß, was da (im harmlosesten Fall) für Bemerkungen kommen werden.

 

Es kommt aber auch regelmäßig zu körperlichen Übergriffen, deswegen ist es gut, dass immer mehr Vereine verstehen, dass sie extra Aufklärungs- und Hilfsangebote für ihre Fans einrichten müssen und die Mitwirkenden entsprechend schulen lassen. Da geht es dann nicht nur um Sexismus und sexuelle Gewalt, sondern auch Rassismus, Homo- und Queerfeindlichkeit.

 

Genauso wichtig ist, dass diese Fälle dokumentiert werden, nicht nur, damit die tatsächliche Häufigkeit bekannt ist, sondern auch, um weitere Gegenmaßnahmen entwickeln zu können. In NRW gibt es dafür seit kurzem die “Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW“. Dort können alle erlebte oder beobachtete Vorfälle über ein Online-Formular melden.

 

Wenn man die Doku so sieht, braucht es eine vergleichbare unabhängige Stelle auch für Spielerinnen, aber DFB muss gleichzeitig in die Verantwortung genommen werden, die Vereine entsprechend zu beeinflussen, damit die Spielerinnen besser geschützt sind.

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Fotocredit: Lena Oberdorf, hier für Wolfsburg im Zweikampf mit Małgorzata Mesjasz beim DFB-Pokalfinale am 28. Mai 2022. © Vitalii Kliuiev | Dreamstime.com