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Zwischenfazit zur Gruppenphase. EM-Tagebuch (15)

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Mehrere Trainingstore mit grünen Netzen stehen nebeneinander in einer Reihe. Bild von congerdesign auf Pixabay.

Da ist sie also vorbei, die Gruppenphase. Es gäbe so vieles, was man jetzt schon genauer thematisieren könnte, aber es bleibt kaum Luft, weil es schon am Mittwoch weitergeht, die Vorbereitung auf die Viertelfinal-Partien steht an. Hier der Versuch, einige Dinge zusammenzubringen, ich war zu dem Thema auch am vergangenen Wochenende bei “Sport am Sonntag” im Deutschlandfunk zu hören.

Hohes spielerisches Niveau

Vor der EM war oft von sechs bis sieben Teams die Rede, die diese EM gewinnen könnten, schon nach der ersten Runde hatte sich das dann aber stark reduziert auf drei, maximal vier Teams. Meine Vermutung ist, dass das u.a. auch daran liegt, dass man von den anderen sonst nicht so viel mitbekommt, wenn man nicht gerade in den Quali-Runden oder Freundschaftsspielen auf sie trifft.

 

Da sieht man dann manch vielversprechenden Namen im Kader, aber z.B. nicht unbedingt, dass das jeweilige Trainer*innenteam nicht die besten Entscheidungen bei der Anordnung dieser Namen trifft. Da könnte man Norwegen nennen, dessen Trainer Martin Sjögren samt Assistent Anders Jacobson sich mit dem norwegischen Verband auf eine Trennung verständigt hat. Aber auch die Niederlande mit Mark Parsons sehe ich in der Hinsicht kritisch.

 

Dann ist da der Sprung im Niveau. Das ist zwischen dem eigentlichen Turnier und den Spielen davor ein ganz anderes, was für die mittelstarken Teams mit Potenzial zu mehr mitunter zum Problem wird. Dänemarks Nationalcoach Lars Søndergaard sprach das schon lange vor dem Turnier an als etwas, das man vorher wisse, aber eben nur sehr schlecht ändern könne.

…und hohes Tempo

Selbst eine Handvoll Testspiele mit entsprechendem Niveau reichen da nicht aus. Dieser Unterschied im Tempo und bei der Intensität führt dann auch dazu, dass nicht alle Nationen immer mit der vermeintlich besten Elf auflaufen, weil aus Energiegründen rotiert werden muss.

 

Das scheint mir vor allem bei Italien ein Faktor gewesen zu sein, die Spielerinnen betonten immer wieder, wie hoch das Tempo sei und nicht alle Wechsel waren für mich rein taktisch oder leistungstechnisch erklärbar. Man kann also sagen, dass das Niveau insgesamt gestiegen ist, bei den Top-Nationen aber eben nochmal mehr.

 

Während in Nordirland und Portugal noch über grundlegende Sachen wie Physis und Fitness gesprochen werden muss, ist man woanders bei den taktischen Details angekommen. Diese werden immer wichtiger, es reicht nicht mehr, allein die besseren Einzelspielerinnen in den eigenen Reihen zu haben.

 

Das ist eine andere Sache, die diese EM bisher für mich gezeigt hat: Die Trainer*innenposition und die getroffenen Entscheidungen rücken mehr in den Vordergrund. Für mich ist vor den Viertelfinalpartien eine der spannendsten Fragen, welche Schlüsse Jorge Vilda bei Spanien und Peter Gerhardsson bei Schweden aus ihren jeweiligen Gruppenspielen ziehen werden.

Standardsituationen

Ein anderes dran anknüpfendes Thema sind Standardsituationen, bzw. Tore nach Standards. Ich habe leider keine Statistik zur Hand, aber der Anteil an Standardtoren bei dieser EM ist sehr hoch und unter dem nerdigen Teil der Fans schon zum running gag geworden.

 

Auch das hängt mit dem Spielniveau zusammen. Insgesamt würde ich bei den meisten Teams die Offensive als die Stärke bezeichnen, bei manchen überwiegt das mehr als bei anderen. Trotzdem gibt es überall Grundprinzipien von guter Defensive zu sehen.

 

Wie lenkt man durch Anlaufen ein Spiel in die ungefährlicheren Zonen? Wie verhindere ich wertvolle Flanken? Wie stelle ich einen Strafraum zu? Diese ganzen Dinge, natürlich in qualitativ unterschiedlicher Ausprägung. Auch wenn es zum Teil hohe Siege/Niederlagen gab, war ebenso zu beobachten, dass sich manche der „Großen“ zumindest phasenweise schwertaten oder sehr viel Geduld mitbringen mussten.

 

Vielleicht stimmt das mit den besseren Offensiven also auch gar nicht und das ist eher so ein Mehr-Aufmerksamkeit-für-Angreiferinnen-Bias. Oder ein Bias pro Einzelspielerinnen vs. taktisches Teamverhalten, weil sich das erste leichter beobachten lässt.

Empfehlungen des Tages

  • Ihr kennt das mittlerweile, gestern haben Belgien und Italien gespielt, also war ich heute Morgen im Rasenfunk und habe dort über das Spiel gesprochen, Noah versorgt euch mit allem, was ihr zu Frankreich und Island wissen müsst. Da Belgien weiter dabei ist, freu ich mich jetzt schon sehr auf das Viertelfinale mit Schweden und Jasmina Schweimler!
  • Auch bei Lottes EM-Morgen macht Jule fleißig weiter und spricht über die gestrigen Spiele. Mit dabei ist Ellen Hanisch. Ich möchte auch hier nochmal erwähnen, dass Jule als einzige mir bekannte Person den Belgierinnen das Viertelfinale zugetraut hat!
  • Aktuell ist es richtig heiß, die Klimakrise treibt Hitzewellen jetzt auch über Europa, dazu kommen Waldbrände und Dürren. Wie man da noch Sport treiben soll und welche Maßnahmen Sportverbände ergreifen sollten, darüber hat der Sportsoziologe Sven Schneider im Deutschlandfunk mit Moderator Maximilian Rieger gesprochen.
  • Fußballerinnen und Social Media, das ist aus vielen Gründen schon lange eine vielseitige Geschichte. Tamara Keller hat für web.de mit Blick auf die diesjährige EM darüber geschrieben und erklärt dabei auch, wie das mit dem Thema Equal Pay zusammenhängt. Und in ihrer Kolumne von heute geht es um das wachsende Medieninteresse und die TV-Übertragungen.
  • Justin Kraft hat in seinem Blog gestern über das Spiel der Torhüterinnen bei dieser EM geschrieben und sich die Leistungen von Niederlandes Daphne van Domselaar näher angeschaut, die ja in den letzten Wochen von vielen Seiten sehr gelobt wurde.
  • Steve Bolton schreibt in seinem neuen Artikel für Playing Pasts über Manchester Ladies FC nach dem 2. Weltkrieg. Steve ist der Enkel von Lizzy Ashcroft, Spielerin der St. Helens Ladies und Dick Kerr Ladies und recherchiert regelmäßig zur Geschichte des englischen Frauenfußballs.